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Ob man Nährwertkennzeichnung richtig nutzt, Lebensmittel selbst zubereitet, gesunde Vorräte lagert, Mahlzeiten bewusst einplant, trotz knapper Mittel sich gesund ernährt, gemeinsam isst, Süßem widerstehen kann oder die richtigen Snacks wählt – all das gehört per Definition zur sogenannten Ernährungskompetenz.
Um diese ist es in Deutschland aber nicht allzu gut bestellt, wie eine aktuelle Studie des AOK-Bundesverbandes zeigt. Demnach verfügt mehr als die Hälfte der Bundesbürger (53,7 Prozent) über eine problematische oder gar inadäquate Ernährungskompetenz (Food Literacy). Für die von der Agentur „Facit Digital“ durchgeführte Erhebung wurden knapp 2.000 Personen zu acht Themenfeldern befragt.
Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Während über die Hälfte der Frauen (53 Prozent) eine ausreichende Ernährungskompetenz besitzt, sind es bei den Männern gerade einmal 38 Prozent. Die Ergebnisse von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden sich dagegen nicht. Zu den Ergebnissen der Studie erklärt Bundesernährungsministerin Julia Klöckner: „Ernährungskompetenz will gelernt sein – ein Leben lang. Die Ergebnisse der Studie zeigen, wie wichtig es ist, Verbraucher aller Lebensphasen dabei zu unterstützen. Das machen wir mit zahlreichen Initiativen und Programmen, vom Hochstuhl bis hin zu den Senioren. Es geht uns dabei um Befähigung, nicht Bevormundung. Entscheidend ist das notwendige Wissen, um eine informierte Wahl zu treffen. Dazu gehört Ernährungsbildung von klein auf genauso wie Wahrheit und Klarheit bei der Kennzeichnung von Produkten: Mit der Einführung des Nutri-Score machen wir es Verbrauchern hier zum Beispiel einfacher. Wichtig ist mir außerdem, dass eine gesunde Ernährung nicht abhängt von Herkunft oder Elternhaus. Diese Abhängigkeit will ich durchbrechen. Dazu gehen wir mit Projekten auch genau dorthin, wo es am notwendigsten ist: in sozial benachteiligte Stadtteile.“
Anlass zur Sorge geben vor allem die Jüngeren. In der Altersgruppe zwischen 18 und 24 Jahren weisen lediglich 37,1 Prozent der Befragten eine ausreichende Kompetenz vor. „Nur jeder dritte junge Erwachsene weiß, wie gesunde Ernährung funktioniert. Das ist alarmierend“, betont Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Auch der positive Zusammenhang von höheren Bildungsabschlüssen und besserer Ernährungskompetenz verdeutlicht Handlungsbedarf. Nur 37,2 Prozent der Menschen mit einem Haupt- oder Volksschulabschluss können eine ausreichende Literalität vorweisen, bei Menschen mit Abitur liegt der Anteil bei 56,4 Prozent. „Wenn wir hier einen Kurswechsel wollen, müssen wir das Thema gesunde Ernährung fest in unserem Bildungssystem und den Curricula verankern. Die Vermittlung von Ernährungskompetenz darf nicht mit dem Schulgong enden, wichtig wäre sie darüber hinaus in der Jugendarbeit und Erwachsenenbildung.“
Prof. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und praktizierender Pädiater, ist mit dieser Entwicklung auch regelmäßig im kinderärztlichen Alltag konfrontiert. „Generell sehe ich bei jungen Eltern einen zunehmenden Rückgang der Fähigkeiten zur selbstständigen Zubereitung von Mahlzeiten aus Grundnahrungsmitteln. Dies ist auch deshalb problematisch, weil Fertigprodukte regelmäßig zu viel Kalorien, Zucker, gesättigtes Fett und Salz enthalten. So kommt es insgesamt zu einer schlechteren Ernährungsqualität in vielen Familien mit Kindern, gerade auch wenn diese nicht einfach zwischen schlechteren und besseren Fertigprodukten unterscheiden können.“ Deshalb sei die Befähigung der Menschen zu einer gesunden Auswahl von Speisen und Getränken zum Schutz ihrer Gesundheit heute noch wichtiger als jemals zuvor.
Tatsächlich bereitet unter den insgesamt acht untersuchten Kompetenzfeldern „gesundes Vergleichen“ die größten Schwierigkeiten. Rund 72 Prozent der Befragten fehlt es hier an den notwendigen Werkzeugen, um beispielsweise Entscheidungen über die richtige Produktwahl zu treffen. „Es war höchste Zeit, dass die Lebensmittelampel, der sogenannte Nutri-Score, auch in Deutschland eingeführt wurde. Allerdings bringt es nichts, wenn die Lebensmittelindustrie die Kennzeichnung von Nährstoffen nach Lust und Laune auf ihren Produkten platzieren darf. Hier brauchen wir eine Verpflichtung“, betont Litsch. Mit dieser Forderung stehe die AOK nicht alleine da. Litsch: „Inzwischen haben sich schon mehrere namhafte Unternehmen aus der Lebensmittelwirtschaft gemeinsam für die obligatorische Einführung auf EU-Ebene stark gemacht.“ Zum wiederholten Mal problematisiert der AOK-Bundesverband auch die hohen Zuckergehalte in Lebensmitteln. So würden beispielsweise 80 Prozent der Fertiglebensmittel in deutschen Supermärkten zugesetzten Zucker enthalten. Den Verbrauchern fehle es daher schon beim Einkauf an gesunden Optionen.
Aus diesem Grund setze sich die AOK bereits seit mehreren Jahren dafür ein, den Zuckerkonsum in Deutschland zu senken. „Dafür brauchen wir vor allem verbindliche Reduktionsziele mit der Industrie und darüber hinaus ein Verbot von Marketing für stark zuckerhaltige Kinderlebensmittel“, so Dr. Kai Kolpatzik, Studienleiter und Leiter der Abteilung Prävention im AOK-Bundesverband. Die schwachen Ergebnisse für den Teilbereich der Ernährungskompetenz decken sich auch mit Auswertungen zur allgemeinen Gesundheitskompetenz. Auch hier war zuletzt der Wert von über 50 Prozent der Menschen nicht zufriedenstellend. Präventions-Experte Kolpatzik: „Das kommt wenig überraschend angesichts von bundesweit 6,2 Millionen Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können. Folglich fehlen mehr als zwölf Prozent unserer erwerbsfähigen Bevölkerung ganz grundlegende Voraussetzungen, um Gesundheitsinformationen verstehen zu können.“ Diese zu vermitteln, sei jedoch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und erfordere entsprechende Maßnahmen von der Politik.
Die Studie und weitere Informationen zu den Themen Ernährungs- und Gesundheitskompetenz sowie Zuckerreduktion finden Sie unter: www.aok-bv.de
Quelle: AOK Bundesverband https://www.aok-bv.de
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